Welcome to Orgine Natural Wines Berlin!

Wer ist Fabrice Dodane

Geposted von Claudia Sontheim am


Der Antioxidant

Lange war das Jura Heimat oxidativer Weine. Heute lässt sich mit Chardonnay wie dem Château Renard der Domaine Saint Pierre die Kargheit der Region erkunden

Kaum jemand keltert reduktivere schwefelfreie Naturweine als Fabrice Dodane. Auf den 5,5-Hektar Kalkboden seiner Domaine Saint Pierre nahe Arbois entstehen einige der feingliedrigsten Weißweine des Jura, karg und grazil wie eine guter Puligny-Montrachet. Vor 20 Jahren hätte niemand gedacht, dass es hier mal derartige Weine gibt. Denn die Region stand das gesamte 20. Jahrhundert für Vin Jaune: einen nussigen, goldgelben Wein aus der Rebsorte Savagnin, der oftmals zehn Jahre im Fass reift und entfernt an einen trockenen Sherry erinnert.

Zwar gab es hier auch schon immer andere Weine, doch da der Vin Jaune als Referenz für gutes Handwerk galt, waren auch diese anderen Weine von ähnlich nussiger Machart. Mit Oxidation – andernorts dem schlimmsten Feind des Winzers – ging man im Jura schon immer etwas lockerer um. Durchforstet man alte Verkostungsnotizen, stößt man fast ausschließlich auf Vokabeln wie Haselnuss, Honig, Diesel, Curry, gegrilltes Fleisch oder auf Analogien zu Sherry. Fabrice Dodanes Weißweine schmecken kein bisschen nach Grillfleisch, nicht nach Honig und nicht nach Sherry. Winzer wie er, oder auch dessen Schulfreund und Inspirationsquelle Jean-François Ganevat, haben diesen Stil ein Stück weit hinter sich gelassen. Blank geschwefelte Weine keltern sie aber zum Glück trotzdem nicht.

Schwefeln kann sinnvoll sein…

Schwefel ist einer der ältesten Zusatzstoffe. Schon die Römer sollen ihren Wein so haltbar gemacht haben. Der Sinn von Schwefel liegt auf der Hand: Er bindet – gröbst vereinfacht – an Sauerstoff, bevor der Sauerstoff an den Wein binden kann. Ist Schwefel vorhanden, oxidiert der Sauerstoff den Schwefel anstatt den Wein. Einen reduktiven Wein zu keltern, ist also mitnichten eine Kunst, man muss nur gewaltig Schwefeln. Die große Krux: der Schwefel kann Aromastoffe eliminieren, weswegen überschwefelte Weine todlangweilig schmecken können.

Grob vereinfacht kann man alle Weine in reduktiv und oxidativ einteilen: in solche die mit und solche die fast ohne Sauerstoffeinfluss vergoren werden. Beides hat seine Berechtigung, es handelt sich um eine Frage der Stilistik, nicht um eine der Qualität. Ein reduktiver Moselriesling kann ebenso große Freude auslösen wie ein oxidativer nussiger Vin Jaune. Ein weiterer Effekt von Schwefel ist, dass er an Acetaldehyd binden kann, ein Abbauprodukt von Ethanol, das zwangsläufig bei der Gärung entsteht. Acetaldehyd schmeckt in hohen Dosierungen penetrant und bitter, würzt den Wein in niedrigeren Dosierungen aber mit Aromen von Haselnüssen und frischen Champignons. Fino-Sherry, der Chenin Blanc von Naturweinlegende Nicolas Joly oder auch einige der besten Champagner leben von Acetaldehyd.

…muss es aber nicht

Wieso dieser Exkurs in die Weinchemie? Ganz einfach, Fabrice Dodane gelingt ein weinchemisches Kunststück: einen reduktiven Wein zu keltern, ganz ohne Schwefel zu verwenden. Deswegen schmeckt sein Chardonnay auch nicht buttrig, nussig und hat kein bisschen der Breite, die oxidative Weine meist haben. Umgekehrt hätte zugesetzter Schwefel wohl die aromatische Tiefenschärfe verwischt; die subtile salzige Steinigkeit und die ganz zart angedeuteten Aromen junger ungerösteter Haselnüsse.

Für solche Weine gibt es kein Kochrezept, drei Parameter spielen aber mit Sicherheit eine Rolle. Erst einmal hat der Wein viel Säure, die ähnlich wie Schwefel eine antioxidative Wirkung hat. Man kennt den Effekt vom Kindergeburtstag, wenn Zitronensaft den Obstsalat vom Bräunen abhält. Außerdem prägt den Wein ein zartes aber bestimmendes Gerbstoffgerüst, das im Mund an Johannisbeerkerne erinnert. Dass Gerbstoff konserviert, wird spätestens klar, wenn man alte Tannat-Weine aus dem Madiran verkostet, die auch in vergleichsweise einfachen Qualitäten nach 30 Jahren blitzsauber im Glas stehen. Eine wesentliche Rolle spielt aber vermutlich auch das Hefelager, von dessen Wechselspiel aus fein und herb (nicht zu verwechseln mit feinherb!!!) der Wein geprägt ist. Abgestorbene Weinhefe bindet nach der Gärung jede Menge Sauerstoff und bietet so den bestmöglichen Schutz gegen Oxidation. Deswegen kann beispielsweise Champagner problemlos zwölf Jahre sur lattes auf der Hefe reifen ohne gealtert zu schmecken.

Was es sonst noch braucht, damit das Kunststück gelingt, weiß wohl nur Fabrice Dodane. Und ein Zauberer verrät keine Tricks.

Diesen wunderbaren Text verdanken wir dem Autoren Paul Kern. Merci!
@champagnerschorle
www.champagnerschorle.de

 

← Älterer Post Neuerer Post →